55th International Symposium on Microelectronics
Für diejenigen, deren Herz für die Mikrosystemtechnik schlägt, hatte Boston, Massachusetts, im September und Oktober viel zu bieten. Unverzüglich nach der BIOMEDDevice conference and exhibition am 28. Und 29. September 2022 traf sich die Elite auf Forschung, Entwicklung, Produktion und Anwendung vom 3. bis zum 6. Oktober 2022 zum 55-ten internationalen Symposium für Mikroelektronik.
In elf Professional Development Courses gaben führende Vertreter namhafter Unternehmen einen umfassenden Einblick in die Zukunft der Aufbau- und Verbindungstechnik für 6G-, High Performance Computing-, Automobil-, Industrie-, Militär-, Space- und Medizinanwendungen. Schwerpunkte bildeten dabei neben Chip Scale Package, FlipChip und Wafer Level Packaging Produktionsmethoden auch das häufig unterschätze Drahtbonden sowie die wachsenden Anforderungen an Zuverlässigkeit, Robustheit und thermisches Management.
Erstmalig in das Programm aufgenommen wurde ein eintägiger Workshop mit dem vielversprechenden Titel „STRATEGIES TO REVITALIZE THE ON-SHORE PACKAGING AND ASSEMBLY INDUSTRIAL BASE“. Wie auch bei uns in Europa behandelte dieser Workshop das geplante Vorgehen der Vereinigten Staaten von Amerika redundante Ressourcen zu den bisher genutzten Versorgungsquellen aufzubauen, Fertigungskapazitäten und Jobs im eigenen Land zu schaffen, die Sicherstellung der Verfügbarkeit von Halbleitern sicherzustellen und die eigene Binnenwirtschaft zu stärken.
Die US-amerikanische Regierung stellt hierzu alleine 52 Mrd. USD über den American Chips Act zur Verfügung (siehe auch Fact Sheet: Biden-Harris Administration bringing semiconductor manufacturing back to Amrica), um privatwirtschaftliche Investitionen zu fördern. Ziel ist es hier den in einem Zeitraum von 30 Jahren von 37% auf 12% gesunkenen Anteil an der globalen Chipproduction wieder zu steigern.
Zusätzlich investiert die amerikanische Wirtschaft rund 80 Milliarden USD in den Ausbau ihre Produktionskapaziäten. Diese verteilen sich im Wesentlichern auf
- 20 Mrd. USD für eine neue Halbleiterproduktionsstätte von Intel in Columbus / Ohio
- 17 Mrd. USD für eine neue Halbleiterproduktionsstätte von Samsung in Texas
- 1 Mrd. USD für Produktionserweiterungen bei Cree in North Carolina
- Diverse Kapazitätssteigerungsmaßnahmen bei Micron, TI, GloFo und SK
Doch was bedeutet die US-amerikanische Initiative für uns in Europa? Welche Aktivitäten haben wir den amerikanischen Initiativen entgegen zu setzen? Wie können wir unsere eigene Wirtschaft und unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken, ohne dabei den Kooperationsgedanken aus den Augen zu verlieren?
Im Strategiepapier der EU-Kommission 2019-2025 wurde beschlossen ein europäischen Chip-Gesetz aufzusetzen, um Europas Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz in puncto Halbleitertechnologien und -anwendungen zu erhöhen und so einen Beitrag zum digitalen und ökologischen Wandel zu leisten. Parallel dazu soll Europas technologische Führungsrolle in diesem Bereich weiter ausgebaut werden. Mit dem europäischen Chip-Gesetz will die EU die Halbleiterknappheit angehen und Europas technologische Führungsrolle stärken. Sie mobilisiert 43 Mrd. EUR an öffentlichen und privaten Investitionen und beinhaltet Maßnahmen, damit gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und internationalen Partnern besser auf künftige Unterbrechungen der Lieferketten reagiert und gegengesteuert werden kann.
Die konkreten Ziele sind hierbei:
- Investitionen in Technologien der nächsten Generation
- Bereitstellung eines europaweiten Zugangs zu Entwurfswerkzeugen und Pilotanlagen für die Prototypentwicklung, Prüfung und Erprobung modernster Chips
- Zertifizierungsverfahren für energieeffiziente und vertrauenswürdige Chips, um die Qualität und Sicherheit für kritische Anwendungen zu gewährleisten
- ein investitionsfreundlicherer Rahmen für die Errichtung von Fertigungsanlagen in Europa
- Unterstützung innovativer Start-ups, Scale-ups und KMU beim Zugang zur Beteiligungsfinanzierung
- Förderung von Kompetenzen, Talenten und Innovationen in der Mikroelektronik
- Instrumente für die Früherkennung von Halbleiterengpässen und -krisen sowie entsprechendes Gegensteuern, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten
- Aufbau internationaler Halbleiter-Partnerschaften mit gleichgesinnten Ländern
Sowohl die US-amerikanischen als auch die europäischen Aktivitäten zum Aufbau zusätzlicher Kapazitäten, um den wachsen Bedarf an Halbleitern sicher zu stellen und uns zusätzlich von den ostasiatischen Zulieferern unabhängiger zu machen ist ein richtiger Ansatz. Monopolisierung und Konzentration führt zwar im Allgemeinen zu günstigen Konditionen, führt aber auch in eine hohe Abhängigkeit. Diversifizierung scheint das Gebot der Stunde. Doch was bedeutet das für die aktuelle Situation, in der sich die Mitglieder aus Industrie und Wirtschaft des iMAPS befinden? Um es vorweg zu nehmen – kurzfristig werden diese sich weiterhin mit
- Langen Lieferzeiten
- Bauteilabkündigungen von unrentablen Komponenten
- Allokationen
- Unterbrochenen Lieferketten
beschäftigen müssen. Die geplanten Produktionsstätten sind erst in Bau, die Arbeiten an Betriebsausstattungen werden frühestens Anfang 2024 beginnen, die sogenannte „readyness for production“ wird allerfrühestens Ende 2025 erwartet. Erst dann wird sich die Situation auf dem Halbleitermarkt entspannen. Das ist nicht die Meinung des Autors, sondern es handelt sich um belastbare Zahlen, die von führenden Halbleiterproduktionsausrüstern bestätigt und kommuniziert wurden.
Kurzum, es ist Licht am Ende des Tunnels zu erkennen. Der Weg dahin bleibt aber weiter steinig.