Definition: Nachhaltigkeit in der Elektronik
Vorwort zu „Nachhaltigkeit in der Elektronik“
Am 23. März 2023 konnten wir auf unserem IMAPS Frühjahrsseminar in verschiedenen Vorträgen eine Diskussionsbasis zu einem der drängendsten Themen der Gegenwart mit Bezug zur Nachhaltigkeit in der Elektronikfertigung schaffen.
Wie können wir es schaffen, die Produktion oder einzelne Fertigungsabschnitte nachhaltig zu gestalten und welche Aspekte müssen dabei zwingend berücksichtigt werden?
Auf der anderen Seite jedoch können mikroelektronische Bauelemente in der Steuer- und Regeltechnik eingesetzt werden, sodass nur im Bedarfsfall Ressourcen verbraucht werden oder optimal und langfristig genutzt oder wiederverwendet werden können.
Der IMAPS Deutschland e.V. unterhält schon seit einiger Zeit gute Beziehungen zum Solderpunks e.V. für nachhaltigere Elektronik, einem Verein der sich dem Thema „faire Elektronik“ verschrien hat (www.solderpunks.com/ueberuns/).
Wir haben somit beschlossen, den nachfolgenden Artikel deshalb unseren Mitgliedern nicht vorzuenthalten, zumal er vollständig an die während des Frühjahrsseminars vorgestellten und auch diskutierten Themen anknüpft. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen.
Zum Einstimmen auf das Schreiben dieses Textes habe ich einige Artikel in Elektronikfachzeitschriften überflogen. Suchkriterien für die Artikel waren Wörter wie „Ökologisch, sozial, fair“ und natürlich „Nachhaltigkeit“. Ein Wort, dessen Bedeutungsbandbreite ähnlich dem Mooreschen Gesetz zunimmt und somit mehr und mehr in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Zur Erinnerung: Der Ursprung des Wortes kommt aus der Forstwirtschaft: Nur wer so viele Bäume fällt, wie nachwachsen können, sorgt dafür, dass der Wald für die künftige Nutzung zur Verfügung steht und für die Dauer seinen Wert behält.
Vielleicht lächelst du nun, da es natürlich unsagbar schwer ist von dieser Definition eine Vergleichbarkeit zur Elektronikindustrie herzustellen. Vielleicht liegt hier auch der Ursprung des Problems. Beim Lesen der Artikel ist mir der Einheitsbrei aufgefallen der sich zusammensetzt aus der unkritischen Genügsamkeit aktueller politischen Umsetzungen und dem Schulterklopfen der Industrie, die zu häufig der Meinung sind, die ökologische und soziale Problemlage erkannt und ihren Handlungsspielraum soweit ausgeschöpft zu haben. Warum werden akute, bedrohliche, ökologische und soziale Probleme zu wenig verstanden? Das ist doch der erste Schritt, um geschlossen angemessene Forderungen an die Politik zu stellen!
Beim Ringen um Versorgungssicherheiten und Resilienzen rückt die größte Herausforderung unserer Zeit weiter und weiter in den Hintergrund. Von den neun ökologischen Belastungsgrenzen die Prominenteste: Der Klimawandel!
Die Klimakatastrophe, vor der alle anderen Herausforderungen vorgeschobene Scheinherausforderungen sind. Sie ist kein weiteres Problem auf der Bühne, neben den Abhängigkeiten von China oder der Versorgungssicherheit mit kritischen Rohstoffen. Die Klimakatastrophe bedroht die Bühne selbst! Wer jetzt denkt, dass diese Aussage übertrieben ist, dem lege ich unbedingt ans Herz, sich endlich mit dem Thema zu befassen und wenigstens die Zusammenfassung des neusten IPCC-Berichtes für Entscheidungsträger zu lesen. Die Einhaltung des Pariser Kimaabkommens ist kein Eingeständnis an Ökos und auch kein Selbstzweck. Es ist ein völkerrechtlich bindender Kompromiss, der die Zerstörung unserer menschlichen Lebensgrundlagen eindämmern soll. Und auch an dieser Stelle entstehen häufig Missverständnisse. Die 1,5°C sind bereits der Kompromiss, auf den sich die Regierungen der Welt nicht ohne Grund geeinigt haben. Die Umsetzung ist komplex und daher auch nicht nur Aufgabe der Politik, sondern der gesamten Gesellschaft.
Der Elektronikbranche kommt als Hoffnungsträger der Dekarbonisierung eine besondere Rolle zu Teil. Denn die politisch präsentierten Lösungen liegen insbesondere in der Energiewende, Mobilitätswende und Digitalisierungswende. Hier fehlt mir die reflektierte und kritische Beteiligung. Wir müssen so schnell wie möglich klimaneutral werden, nicht erst 2050. Dazu braucht es Nachhaltigkeitsstrategien:
- Effizienz
besser produzieren, gleicher Nutzen- weniger Energieverbrauch - Konsistenz
anders produzieren, mit regenerativen Energien oder wiederverwertbare Materialien - Suffizienz
weniger produzieren und konsumieren, Energie- und Materialverbrauch begrenzen
Um so schnell wie möglich den C02 Ausstoß zu beenden, brauchen wir alle drei Strategien. Suffizienz ist mir in unseren Diskussionen noch nicht untergekommen. Konsistenz bestimmt die aktuelle Diskussion. Wir befinden uns mitten in der Umsetzung, aber viel zu langsam. Hier ein paar Daten bezüglich des Themas Recycling:
- Mehr als 50 Millionen Tonnen Elektronikschrotte fallen weltweit an
China belegt zwar nominal mit 10 Millionen Tonnen Elektronikschrott weltweit den ersten Platz, ist aber im internationalen Vergleich mit 7,2 kg pro Einwohner weit von einer Topposition entfernt. Spitzenreiter ist Norwegen mit 57 kg Elektronikschrott pro Kopf, gefolgt von Großbritannien mit 55 kg. Elektroschrott ist damit der am schnellsten wachsende Abfallstrom weltweit
Experten rechnen damit, dass bereits 2030 weltweit insgesamt 75 Millionen Tonnen Elektroschrott anfallen werden.
- In Deutschland produziert jeder 20 kg Elektroschrott pro Jahr
In den letzten 10 Jahren hat sich die Menge an Elektroschrott, der in Deutschland in den Verkehr gebracht wurde, um insgesamt 1,1 Mio. Tonnen erhöht. Die Tendenz ist steigend und es wird nicht erwartet, dass diese Menge signifikant sinken wird.
- Die Recyclingquote liegt in Deutschland nur noch bei 39%
Die im März 2023 von Destatis veröffentlichte Sammelquote von Elektroschrott beträgt für 2021 nur noch 39 Prozent, obwohl die gesetzliche Vorgabe bei 65 Prozent liegt. Damit ist die Quote im Vergleich zum Vorjahr um weitere 5 Prozent gesunken. Ein wesentlicher Grund, weshalb die Sammelmengen von Elektroschrott so niedrig sind, ist das geringe Engagement des Handels bei der Rücknahme von Elektroaltgeräten.
- Mehr als 50% des Elektroschrotts sind Haushaltsgroßgeräte
IT-Telekommunikationsgeräte, Elektrokleingeräte und Unterhaltungsgeräte machen den Rest aus. Die Nutzungsdauer von Elektrogroßgeräten hat sich lt. Bundesumwelt zwischen 2004 und 2012 um ein Jahr auf 13 Jahre verkürzt. Der Anteil der Geräte, die aufgrund eines Defektes schon innerhalb von fünf Jahren ersetzt werden mussten, ist lt. Studie von 3,5 Prozent auf 8,3 Prozent auffallend stark gestiegen.
- 200 Millionen Mobiltelefone liegen ungenutzt in deutschen Schubladen
Hochrechnet sind das 50 Tonnen Silber, fast 5 Tonnen Gold, 1,8 Tonnen Palladium und 650 Tonnen Kupfer. Um 650 Tonnen Kupfer abzubauen, benötigt man 100.000 Tonnen Kupfererz!
Ich spreche mit großartigen Menschen aus der Elektronikbranche, die Lust haben Teil einer Veränderung zu sein, die dringend notwendig ist. Es ist eine Mammut Aufgabe, aber wir sind viele, gut ausgebildet und haben Lust herausfordernde Aufgaben zu bewältigen, sofern sie sinnvoll sind. Was ist sinnvoller, als sich den Herausforderungen der planetaren Grenzen zu stellen? Aktuell findet in Wolfsburg das Verkehrswendecamp statt. Ich finde den Gedanken sehr charmant die Autostadt zur Verkehrswendestatt zu machen. An den Initialen braucht man schonmal nichts mehr ändern.
Schaut euch an, was abgeht und beteiligt euch, indem ihr zum Beispiel die Infos verbreitet:
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